Konrad Peter Grossmann: Stadt Land Fluss

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Seiten: 506
ISBN: 978-3-902964-59-5
Autor: Konrad Peter Grossmann

 

Rezension

Zwischen untergetauchten Nazis und dem Erlernen der Demokratie
Der neue Roman von Konrad Peter Grossmann beleuchtet österreichische Lebensrealitäten in der Zeit der sowjetischen Besatzung

Die Romane des Psychotherapeuten Konrad Peter Grossmann liegen wie merkwürdige Findlinge in der Literaturlandschaft der Gegenwart, unbeirrt vom belletristischen Zeitgeist folgt der in Gallneukirchen lebende Autor dem traditionsreichen Konzept des realistischen Zeit- und Gesellschaftsromans und dessen weiten epischen Dimensionen. Nicht weniger als vier Bände eines auf fünf Teile konzipierten Zyklus hat Grossmann seit 2020 veröffentlicht, Durchschnittslänge 600 Seiten.

Räumlich werden das umfangreiche Personal und das verzweigte Geschehen durch den Handlungsraum Österreich und Russland zusammengehalten, zeitlich erstrecken sich die Ereignisse von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, wobei der Eisenbahnbau ein wiederkehrendes Kernmotiv ist. Die Handlungszeit des im Vorjahr erschienenen einen Bandes „Es ist so unendlich still hier“ war das letzte Jahr des Ersten Weltkriegs, der Schauplatz hauptsächlich Russland.

Alltag in materieller Dürftigkeit

Mit dem vierten Band „Stadt Land Fluss“ kehrt Konrad Peter Grossmann nach Österreich zurück. Krieg und NS-Herrschaft sind seit fast acht Jahren vorbei, aber die Folgen sind immer noch spürbar.

Materielle Dürftigkeit beherrscht das Alltagsleben der meisten Menschen und der Freiheitsspielraum wird maßgeblich von den Besatzungsgruppen definiert. Dazu gesellen sich unerwünschte aber übliche Begleiterscheinungen: Machtmissbrauch, Opportunismus, Denunziation, Schwarzhandel und untergetauchte Nazis, die ihrem Führer treu geblieben sind. In der sowjetischen Besatzungszone Niederösterreich, nah an der Grenze zum amerikanisch besetzten Oberösterreich, bringt Konrad Peter Grossmann die Hauptfiguren seines Romans miteinander in Kontakt, unter anderem den aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassenen Hans, die Bibliothekarin Barbara, den jüdischen Gymnasiallehrer Heinrich Liebermann, auf russischer Seite Irina Sukowa, Tochter eines jüdischen Arztes und Offizierin der Roten Armee die in Bedrängnis gerät weil sich der vom Tod gezeichnete Stalin von jüdischen Ärzten verfolgt fühlt.

Manchmal überfrachtet

Wie schon in den Vorgängerromanen ordnet Konrad Peter Grossmann den einzelnen Kapiteln immer eine Figurenperspektive zu. Dadurch erleichtert er es seinen Lesern, den Überblick zu bewahren. Manchmal überfrachtet er allerdings das perspektivische Erzählen mit umfangreichen historischen und politischen Wissensinhalten, was zwar informativ ist aber erzähltechnisch nicht immer plausibel wirkt.

Das gilt auch für allzu ausführliche Inhaltsangaben zu Büchern, die Grossmann seine Figuren lesen lässt. Unabhängig davon folgt man aber als Bücherfreund gerne den Einblicken in die Lesefreuden der Fünfzigerjahre, von William Prescotts „Die Eroberung Mexikos“ bis zu den heute fast vergessenen Romanen von Ernst Wiechert.

Christian Schacherreiter, Oberösterreichische Nachrichten vom 15. April 2024.

 

Zum Inhalt:

Februar 1953: Die Besatzungszeit nähert sich ihrem Ende. Irina, die aus dem Städtchen Mirsk stammende Tochter eines jüdischen Arztes und einer Dolmetscherin der sowjetischen Kommandantur einer ostösterreichischen Bezirksstadt, gerät ins Visier des KGB, nachdem Stalin einen angeblich von der CIA und ´zionistischen Mörder-Ärzten´ geplanten Anschlag auf sein Leben fürchtet. Eine neue Welle der Judenverfolgung steht bevor. Die Leseleidenschaft Irinas und die daraus erwachsene Nähe zu Barbara, einer Angestellten der Stadtbibliothek, werden zu ihrem Rettungsanker. Mit Hilfe Barbaras und ihrer Freunde, zu denen unter anderem der Eisenbahningenieur Hans Welser und der Holocaust-Überlebende Heinrich zählen, plant Irina die Flucht in die amerikanische Zone. Das Spiel Stadt Land Fluss nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein.

Zum Autor: 

Konrad Peter Grossmann, geboren 1958, lebt mit seiner Frau im Mühlviertel. Er arbeitet in einer psychotherapeutischen Ambulanz in Wien und lehrt Psychotherapie in Linz, Wien, Graz und Klagenfurt. In den letzten 30 Jahren hat er eine Reihe von Fachbüchern zu narrativen Therapieansätzen sowie drei Romane veröffentlicht.